_D. Martin Luthers ausfuerliche Erklaerung der Epistel_ _an die Galater._ Anno 1535 Neu aus dem Lateinischen uebersetzt. Published in: _Dr. Martin Luthers Saemmtliche Schriften_ herausgegeben von Dr. Joh. Georg Walch Neunter Band. _Auslegung des Neuen Testaments._ _(Schluss.)_ (St. Louis, Mo.: Concordia Publishing House, 1893) (cols. 53 - 68) _Das erste Capitel._ _V. 4. Der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat_ 67. Fast in jedem einzelnen Worte hat Paulus mit dem zu thun, wovon der ganze Brief handelt; er laesst nichts Anderes hoeren, als dass er von Christo redet. Darum ist in jedem einzelnen Worte die Brunst des Geistes und das Leben. Gib aber Acht darauf, wie deutlich er davon spricht. Er sagt nicht: Der von uns unsere Werke empfangen hat; 1) nicht: Der von uns die Opfer des mosaischen Gesetzes, Verehrung, Gottesdienst, Messen, Geluebde, Wallfahrten [usw.] empfangen hat, sondern: "Er hat gegeben." Was? Nicht Gold, nicht Silber, nicht Ochsen, nicht Passahlaemmer, nicht einen Engel, sondern sich selbst. Fuer wen? Nicht fuer einer Krone, nicht fuer ein Reich, nicht fuer unsere Heiligkeit oder Gerechtigkeit, sondern fuer unsere Suenden. Diese Worte sind nichts als Donnerschlaege vom Himmel wider alle Gerechtigkeiten, gleichwie auch dieser Ausspruch Joh. 1, 29.: "Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Suende traegt." Deshalb ist jedes einzelne Wort mit der groessten Sorgfalt zu betrachten, nicht bloss kalt anzusehen und unachtsam ueberhin zu laufen; denn sie troesten und befestigen wunderbarlich die furchtsamen Gemuether. 2) 68. Hier erhebt sich die Frage, wie wir die Vergebung der Suenden erlangen koennen, sowohl der Suenden, welche andere Leute, als auch derer, die wir selbst auf uns haben? Paulus antwortet, der Mann, welcher Jesus Christus heisst, Gottes Sohn, habe sich selbst fuer dieselben gegeben. Dies sind herrliche und troestliche Worte, die auch im alten Bunde verheissen sind, dass unsere Suenden auf keine andere Weise weggenommen werden, als durch den Sohn Gottes, der in den Tod dahingegeben ist. Mit solchen groben Geschuetzen, Kriegswerkzeugen und Sturmboecken muss das Pabstthum zerstoert werden, und alle Religionen aller Heiden, alle falsche Gottesverehrung, alle Werke und Verdienste. Denn wenn unsere Suenden durch unsere Werke, Genungthuungen und Verdienste abgethan werden koennten, was waere es dann vonnoethen gewesen, dass der Sohn Gottes fuer dieselben gegeben werde? Da er aber fuer dieselben dahingegeben worden ist, so werden wir sie freilich nicht austilgen durch unsere Werke. 69. Ferner wird durch diesen Ausspruch auch dargethan, dass unsere Suenden so gross, unermesslich und unueberwindlich sind, dass es auch der ganzen Welt unmoeglich ist, fuer eine einzige genugzuthum. Und sicherlich zeigt die Groesse des Preises, naemlich Christus, Gottes Sohn, "der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat", genugsam, das wir nicht fuer die Suende genugthun noch ueber dieselbe herrschen koennen. Die Kraft und Gewalt der Suende wird durch diese Worte: "Der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat", sehr gross gemacht. Deshalb muss man die Groesse und (dass ich so sage) die Unendlichkeit des Preises ansehen, der dafuer bezahlt worden ist. Dann wird voellig klar werden, dass die Kraft und Gewalt der Suende so gross sei, dass sie durch kein Werk ausgetilgt werden konnte, sondern dass der Sohn Gottes fuer dieselbe gegeben werden musste. Wer dies wohl betrachtet, der versteht, dass das Wort "Suende" den ewigen Gotteszorn und das ganze Reich des Satans in sich begreift, und dass die Suende etwas Erschrecklicheres ist, als man mit Worten aussprechen kann. Das sollte uns sicherlich zu Herzen gehen und uns so erschrecken, dass es uns durch Mark und Bein ginge. Aber wir nehmen uns dessen wenig an, ja, wir verachten die Suende als etwas Geringfuegiges, das keine Bedeutung habe. Und wenn auch Gewissensbisse sich einstellen, so denken wir doch, die Suende sei nicht so gross; wir moechten sie etwas durch ein Werklein oder ein Verdienst austilgen koennen. 70. Es bezeugt also dieser Ausspruch, dass alle Menschen Gesangene und Knechte der Suende sind, und, wie Paulus anderswo [Roem. 7,14.] sagt: "unter der Suende verkauft"; desgleichen, dass die Suende der grausamste und maechtigste Tyrann ist ueber alle Menschen in der ganzen Welt, welcher nicht ueberwunden noch ausgetrieben werden kann durch irgend eine Macht aller Creaturen, moegen sie nun Engel oder Menschen sein, sondern allein durch die unendliche und ueberlegene Macht Jesu Christi, des Sohnes Gottes, der sich selbst fuer die Suende gegeben hat. 71. Ferner haelt dieser Text allen den Gewissen, welche durch die Grosse der Suende erschreckt sind, auch einen unermesslich grossen Trost vor. Denn so unueberwindlich der Tyrann, die Suende, auch sein mag, so kann sie doch denen, die an Christum glauben, nicht schaden, weil er sie durch seinen Tod ueberwunden hat. Sodann, wenn wir, mit diesem Glauben gerueftet, diesem Menschen Jesus Christo von ganzem Herzen anhangen, dann geht uns das Licht auf, und wir ueberkommen ein gesundes Urtheil, dass wir aufs allergewisseste und ganz frei ueber alle Staende im Leben richten koennen. Denn wenn wir hoeren, dass der Tyrann, die Suende, Macht hat ueber alle Menschen, und dass die ganze Welt ihm unterworfen ist, so schliessen wir sofort, und dieser Folgerung kann sich niemand entziehen: Was machen denn die Papisten, Moenche, Nonnen, Priester, Mahometisten, Wiedertaeufer und alle Werkheiligen, welche mit ihren Satzungen, Vorbereitungen, Genugthuungen [usw.] die Suende tilgen und ueberwinden wollen? Da urtheilen wir sofort, dass alle diese Secten gottlos und verderblich sind, indem durch dieselben Gottes und Christi Ehre nicht allein verdunkelt, sondern ganz und gar aufgehoben, dagegen unsere Ehre verherrlicht und aufgerichtet wird. 72. Erwaege aber sorgfaeltig jedes einzelne Wort des Paulus, und vor allem merke wohl und dringe mit aller Macht auf dieses Woertlein: "fuer unsere". Denn daran liegt alles, dass man die Pronomina, welche in der heiligen Schrift sehr haeufig vorkommen, recht und wohl gebrauche, denn es liegt auf denselben immer ein grosser Nachdruck, und es wird durch dieselben angezeigt, was man besonders merken soll. Du kannst leicht sagen und glauben, dass Christus, der Sohn Gottes, fuer die Suenden des Petrus, des Paulus und anderer Heiligen gegeben sei, von denen wir urtheilen, dass sie dieser Gnade werth seien. Aber es ist sehr schwer, dass du, der du dir diese Gnade absprechen und sagen musst, du seiest derselben unwuerdig, von Herzen sagest und glaubest, dass Christus fuer deine unueberwindlichen, unendlichen und unermesslichen Suenden gegeben sei. 73. Darum ist es eine leichte Sache, im Allgemeinen und ohne das [einschraenkende] Pronomen die Wohlthat Christi mit praechtigen, hohen Worten zu preisen und zu ruehmen, naemlich, dass er zwar fuer die Suenden hingegeben sei, aber fuer die Suenden anderer, die dessen wuerdig waren; wenn aber das Pronomen "unsere" hinzugefuegt werden soll, dann will unsere schwache Natur und Vernunft nicht hinan. Dann wagt sie es nicht, sich zu Gotte zu nahen, noch auch auf sich diese Zusage zu beziehen, dass ihr ein so grosser Schatz umsonst gegeben werden solle. Deshalb will sie auch nicht mit Gott zu schaffen haben, sie sei denn zuvor rein und ohne Suenden. Darum, wenn sie auch diesen Text liest und hoert: "Der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat", oder dergleichen, so wendet sie doch das Fuerwort "unsere" nicht auf sich an, sondern bezieht es auf andere, die wuerdig und heilig sind. Sie selbst will aber noch so lange warten, bis sie durch ihre Werke wuerdig werde. 3) 74. Das ist denn nichts Anderes, als dass die menschliche Vernunft gern wollte, dass die Kraft der Suende nicht groesser noch maechtiger waere, als sie sich traeumen laesst. Daher kommt es, dass die Heuchler, welche Christum nicht kennen, selbst dann, wenn sie Gewissensbisse ueber die Suenden fuehlen, dennoch denken, sie wuerden dieselbe leicht abthun durch ihre Werke und Verdienste. Und wiewohl sie es nicht aussprechen, so hegen sie doch den Wunsch, dass diese Worte: "Der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat", Worte sein moechten, die in einer grossen Demuth gesprochen waeren, und dass ihre Suenden nicht ernstliche und wahre Suenden sein moechten, sondern ungegruendete und erdichtete. 75. Kurz, die menschliche Vernunft moechte Gotte gern nur einen erdichteten und erheuchelten Suender vorstellen und darbieten, welcher gar nicht erschreckt waere, der die Suende nicht fuehlte. Sue moechte einen Gefunden zu ihm bringen, der des Arztes nicht bedarf, und dann, wenn sie die Suende nicht fuehlte, wollte sie glauben, dass Christus fuer unsere Suenden gegeben sei. 76. So ist die ganze Welt gesinnt und besonders die Leute, welche in der Welt gottesfuerchtiger und heiliger sein wollen als andere, wie sie sich traeumen lassen, naemlich die Moenche und alle Werkheiligen. Diese bekennen zwar mit dem Munde, dass sie taeglich Suenden begehen, aber nicht so ungeheuer grosse und viele, dass sie dieselben nicht mit ihren Werken sollten tilgen koennen. Ja, ueber das hinaus wollen sie noch Gerechtigkeit und Verdienste vor den Richterstuhl Christi bringen und fuer dieselben von dem Richter als Vergeltung das ewige Leben fordern. Doch unterdessen, wie sie denn demuethige Brueder sind, um nicht ganz und gar rein und sein, erdichten sie einige Suenden, damit sie fuer deren Vergebung mit dem Zoellner aus grosser Andacht beten koennen: "Gott, sei mir Suender gnaedig!" [Luc. 18, 13.] Fuer diese sind die Worte Pauli "fuer unsere Suenden" ganz inhaltslos und leeres Gerede. Deshalb verstehen sie dieselben nicht, koennen auch in der Anfechtung, wenn sie ihre Suende ernstlich fuehlen, keinen Trost daraus fassen, sondern muessen dann geradezu verzweifeln. 77. Dies ist daher das hoechste Wissen (_scientia_) und die rechte christliche Weisheit, dass man diese Worte Pauli fuer ernstliche und ganz wahre halte, naemlich, das Christus in den Tod gegeben sei, nicht um unserer Gerechtigkeit oder Heiligkeit willen, sondern um unserer Suenden willen, welche rechte, grosse, viele, ja, unendliche und unueberwindliche Suenden sind. Darum bilde dir ja nicht ein, dass sie geringfuegig seien, so dass die durch deine Werke getilgt werden koennten. Verzweifle aber auch nicht wegen ihrer Groesse, wenn du sie einmal ernstlich fuehlst, es sei im Leben oder im Sterben, sondern lerne hier von Paulus, dass du glaubest, Christus sei gegeben, nicht fuer erdichtete oder gemalte Suenden, sondern fuer die allergroessten, nicht fuer eine oder die andere, sondern fuer alle, nicht fuer die ueberwundenen (denn kein Mensch, auch kein Engel kann auch nur die allerkleinste Suende ueberwinden), sondern fuer die unueberwindlichen Suenden. Und wenn du nicht in der Zahl derer erfunden wirst, von denen es heisst: "unsere", das ist, welche diese Lehre des Glaubens haben, lehren, hoeren, lernen, lieb haben und ihr glauben, dann ist es um deine Seligkeit geschehen. 78. Gib dir deshalb alle moegliche Muehe, dass du nicht allein ausser der Zeit der Anfechtung, sondern auch in Gefahr und im Todeskampfe, wenn das Gewissen erschrickt durch die Erinnerung an vergangene Suenden, und der Teufel dich mit grossem Ungestuem angreift, und dich mit der Wucht, der Fluth, ja, der Suendfluth der Suenden ueberschuetten will, damit er dich erschrecke, von Christo abziehe und dich in Verzweiflung stuerze, dass du, sage ich, dann zuversichtlich sagen koennest: Christus, Gottes Sohn, ist nicht fuer die Heiligen und Gerechten gegeben, sondern fuer die Ungerechten und Suender. Wenn ich gerecht waere und keine Suende hatte, so beduerste ich des Versoehners, Christi, nicht. Warum willst du denn, o du in ganz verkehrter Weise heiliger Satan, mich zum Heiligen machen und Gerechtigkeit von mir erfordern, obgleich ich nichts Anderes habe als Suenden, und zwar rechte und ueberaus schwere, nicht erdichtete oder nichtige Suenden? Derartig sind die Suenden wider die erste Tafel, naemlich der groesste Unglaube, Zweifel, Verzweiflung, Gottesverachtung, Hass gegen Gott, Mangel an rechter Erkenntniss, Gotteslaesterung, Undankbarkeit, Mitzbrauch des Namens Gottes, Nachlaessigkeit, Ueberdruss und Verachtung des Wortes Gottes [usw.]. 79. Darnach habe ich auch die Suenden wider die zweite Tafel, als da sind, die Eltern nicht in Ehren halten, der Obrigkeit nicht gehorsam sein, der Gueter eines anderen begehren, als, seines Weibes [usw.] (obgleich diese gering sind im Vergleich zu den obengenannten), und wenn ich gleich keinen Todtschlag, keinen Ehebruch, keinen Diebstahl und andere derartige Suenden wider die zweite Tafel mit der That vollbracht habe, so habe ich sie doch im Herzen begangen. Deshalb bin ich ein Uebertreter aller Gebote Gottes, und die Menge meiner Suenden ist so gross, dass eine Ochsenhaut sie nicht fassen koennte, ja, ihrer ist keine Zahl, denn ich habe mehr gesuendigt und die Zahl meiner Suenden ist groesser "denn des Sandes am Meer" [Gebet Manasse, V. 9]. Ueber das ist der Teufel ein so listiger Tausendkuenstler, dass er auch aus meinen guten Werken und aus meiner Gerechtigkeit die groesste Suende machen kann. Da nun meine Suenden so erstlich, wahrhaftig, gross, unendlich, erschrecklich und unueberwindlich sind, und meine Gerechtigkeit mir vor Gott nicht nuetzt, sondern vielmehr schadet, so ist deshalb Christus, Gottes Sohn, fuer dieselben in den Tod dahingegeben, damit er sie austilgte und mich und alle, die dies glauben, selig machte. 80. Darin liegt also die Kraft zur ewigen Seligkeit, dass diese Worte fuer ernste und wahrhaftige Worte gehalten werden. Dies sage ich nicht umsonst. Denn ich habe es oft erfahren, erfahre es auch noch taeglich, wie schwer es sei zu glauben, besonders in Gewissensnoethen, dass Christus gegeben sei, nicht fuer die Heiligen, Gerechten, Wuerdigen und Freunde, sondern fuer die Gottlosen, Suender, Unwuerdigen und Feinde, welche den Zorn Gottes und den ewigen Tod verdient haben. 81. Deshalb sollen wir unser Herz befestigen durch diese und aehnliche Aussprueche der Schrift, damit wir dem Teufel, wenn er uns anklagt: Du bist ein Suender, also bist du verdammt, antworten koennen: Weil du sagst, dass ich ein Suender sei, darum will ich gerecht und selig sein. --- Ja, du wirst verdammt werden! --- Nein; denn ich nehme meine Zuflucht zu Christo, "der sich selbst fuer meine Suenden gegeben hat". Darum wirst du, Satan, damit nichts ausrichten, dass du versuchst, mich dadurch zu erschrecken, dass du mir die Groesse meiner Suende vorhaeltst und mich so in Traurigkeit, Mitzglauben, Verzweiflung, Hass, Verachtung und Laesterung gegen Gott bringen willst. Ja, gerade dadurch, dass du sagst, ich sei ein Suender, gibst du mir die Waffen wider dich in die Hand, dass ich dich mit deinem eigenen Schwerte erwuergen und vernichten kann, weil Christus fuer die Suender gestorben ist. 82. Sodann predigst du selbst mir die Ehre Gottes, denn du erinnerst mich der vaeterlichen Liebe Gottes gegen mich elenden und verdammten Suender, der "also die Welt geliebt hat, dass er seinen eingebornen Sohn gab" [usw.] [Joh. 3, 16]. Desgleichen, so oft du mir vorwirfst, dass ich ein Suender bin, so oft rufst du mir die Wohlthat Christi, meines Erloesers, ins Gedaechtniss, auf dessen Schultern, nicht auf den meinigen, alle meine Suenden liegen. Denn der Herr hat alle unsere Missethat auf ihn gelegt; desgleichen, er hat um der Misssethat seines Volks willen ihn geplagt, Jes. 53, 5.8. Darum, wenn du mir vorhaeltst, ich sei ein Suender, so schreckst du mich nicht, sondern troestest mich ueber die Massen wohl. 83. Wer diese Kunst recht verstasende, der koennte allen listigen Anlaeufen des Teufels leicht entgehen, welcher den Menschen dadurch, dass er ihn seiner Suende erinnert, in Verzweiflung treibt und zu Tode martert, wenn er ihm nicht durch diese goettliche Kunst und Weisheit begegnet und Widerstand leistet, durch welche allein Suende, Tod und Teufel ueberwunden werden. Wer aber die Erinnerung an die Suende nicht von sich wirst, sondern sie festhaelt und sich plagt mit seinen Gedanken, naemlich, wie er aus seinen eigenen Kraeften Rath fuer sich schaffen wolle, oder so lange warten, bis das Gewissen friedsam gemacht worden sei, der faellt in die Stricke des Satans, quaelt sich selbst elendiglich und wird endlich durch Anhalten und Haeufigkeit der Anfechtumg ueberwunden. Denn der Teufel hoert nicht auf, das Gewissen anzuklagen. 84. Wider diese Anfechtung muss man diese Worte Pauli gebrauchen, mit welchen er Christum deutlich und eigentlich beschreibt, auf diese Weise: Christus ist der Sohn Gottes und der Jungfrau, fuer unsere Suenden gegeben und gestorben. Wenn der Teufel hier eine andere Beschreibung Christi bringen sollte, so sprich: Deine Beschreibung und das, was du beschreibst, ist beides falsch, darum nehme ich diese Beschreibung nicht an. Dies sage ich nicht vergebens. Ich weis, warum ich so fleissig darauf dringe, dass wir lernen sollen, Christum eigentlich aus den Worten Pauli zu beschreiben. Denn Christus ist in Wahrheit nicht ein strenger Treiber (_exactor_), sondern der Versoehner fuer die Suende der ganzen Welt. 85. Deshalb, wenn du ein Suender bist, wie wir sicherlich alle immer sind, so bilde dir Christum nicht vor als einen Richter, der auf dem Regenbogen sitzt,4) sonst wirst du erschrecken und verzweifeln; sondern ergreife seine rechte Beschreibung, naemlich diese: dass Christus, Gottes und der Jungfrau Sohn, eine solche Person sei, welche nicht schreckt, nicht plagt, uns Suender nicht verdammt, nicht Rechenschaft von uns fordert wegen unseres schaendlich verbrachten Lebens, sondern die sich selbst fuer unsere Suenden gegeben, und durch ein einziges Opfer die Suenden der ganzen Welt abgethan, gekreuzigt und in sich selbst vertilgt hat. 86. Diese Beschreibung lerne mit Fleiss und besonders dies Fuerwort "unsere" mache dir so zu eigen [dass du wissest], dass diese drei 5) Silben "unsere", im Glauben ergriffen, auch deine Suende ganz und gar wegnehmen und austilgen, das heisst, dass du aufs allergewisseste wissest, dass Christus nicht allein die Suenden einiger Menschen, sondern auch deine und die Suenden der ganzen Welt hinweggenommen habe. Wenngleich alle Menschen dies nicht glauben sollten, so ist dennoch dieses Dahingeben geschehen fuer die Suenden der ganzen Welt. Es sollen also deine Suenden nicht allein Suenden, sondern in Wahrheit deine Suenden sein, das heisst, du sollst glauben, dass Christus nicht bloss fuer die Suenden anderer gegeben sei, sondern auch fuer deine Suenden. Dies halte ohne Wanken fest und lass dich auf keine Weise von dieser ueberaus lieblichen Beschreibung Christi abbringen, an der auch der Engel im Himmel ihre Lust haben, naemlich, dass Christi nach seiner rechten, eigentlichen Beschreibung nicht ein Moses ist, nicht ein Treiber, nicht ein Henker, sondern der Versoehner fuer unsere Suenden, der uns Gnade, Gerechtigkeit und Leben schenkt, der sich selbst gegeben hat, nicht fuer unsere Verdienste, Heiligkeit, Gerechtigkeit, unstraefliches Leben, sondern fuer unsere Suenden. Christus legt zwar das Gesetz aus, aber das ist nicht sein eigentliches und hauptsaechliches Amt. 87. Was die Worte anbetrifft, so wissen wir das und koennen davon reden, aber im Kampfe, wo der Teufel Christum zu verdunkeln und das Wort von der Gnade aus dem Herzen zu reissen pflegt, da erfahren wir, dass wir es noch nicht recht wissen. Wer dann Christum recht eigentlich beschreiben koennte und ihn gross machen und ansehen als den allerlieblichsten Heiland und Hohenpriester, nicht als einen strengen Richter, der haette alles Uebel ueberwunden und waere schon im Himmelreich. Aber es ist das Allerschwerste, dass man dieses im Kampfe tun koenne. 88. Dies rede ich aus Erfahrung. Ich kenne die listigen Anschlaege des Teufels sehr wohl, dass er uns dann nicht allein das Gesetz ueber die Gebuehr gross zu machen pflegt, um uns zu schrecken, desgleichen, dass er aus einem Splitter viele und grosse Balken zu machen versteht, das heisst, dass er aus dem, was nicht Suende ist, die Hoelle machen kann (denn er ist ein wunderbarer Tausendkuenstler, die Suende gross zu machen und das Gewissen zu beschweren auch mit dem, was recht und wohl gethan ist), sondern dass er uns sogar mit der Person des Mittlers zu schrecken pflegt. In dessen Gestalt verwandelt er sich, gibt unserem Herzen ploetzlich einen harten Stoss und macht es ganz verzagt durch Anfuehrung irgend einer Schriftstelle oder eines Wortes Christi, und zeigt sich uns so, als wenn er der rechte Christus waere, und laesst uns an diesem Trugbilde haften, so dass das Gewissen darauf schwoeren wuerde, er sei Christus, da er dessen Meinung oder Wort fuehre. 89. Ausserdem gebraucht der Verleumder diese List, dass er nur einen Theil Christi, nicht den ganzen Christus vorhaelt, naemlich, dass er Gottes Sohn sei, Mensch geboren von der Jungfrau. Sodann flickt er ploetzlich etwas Fremdes daran, das heisst, er haelt uns irgend ein Wort Christi entgegen, mit dem er die Suender schreckt, wie das ist, Luc. 13, 3.: "So ihr euch nicht bessert, werdet ihr alle auch also umkommen." Indem er so die rechte Beschreibung Christi mit Gifte besudelt und verderbt, bringt er das zuwege, dass, obgleich wir glauben, Christus sei unser Mittler, doch in der That das geaengstete Gewissen fuehlt und urtheilt, er sei ein Tyrann und ein Richter. Wenn wir auf diese Weise vom Satan betrogen werden, so verlieren wir leicht das ueberaus liebliche Bild des Hohenpriesters und Heilandes Christi; wenn aber das verloren ist, so ensetzen wir uns vor ihm nicht weniger als vor dem Teufel selbst. 90. Und dies ist die Ursache, warum ich so stark darauf dringe, dass ihr Christum wohl und recht eigentlich beschreiben lernet aus diesen Worten Pauli: "Der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat." Wenn er sich selbst fuer unsere Suenden in den Tod gegeben hat, dann ist er fuerwahr nicht ein Tyrann oder ein Richter, welcher uns wegen unserer Suenden verdammen wird, er ist nicht ein Mann, der die Muehseligen betruebt, sondern der den Gefallenen aufhilft, der die Zerschlagenen versoehnt und troestet. Sonst wuerde Paulus luegen, da er sagt: "Der sich selbst fuer unsere Suenden gegeben hat." Wenn ich Christum so beschreibe, dann beschreibe ich ihn recht und ergreife und habe den wahren Christum. Desgleichen lasse ich die Gruebeleien ueber die goettliche Majestaet anstehen und bleibe an der Menschheit Christi hangen, und so lerne ich den Willen Gottes recht erkennen. Da ist dann kein Schrecken, sondern nur liebliches Wesen, Freude [usw.], und zugleich geht das Licht auf, welches mir rechte Erkenntniss gibt von Gott, von mir selbst, von allen Creaturen, und von aller Bosheit im Reiche des Teufels [usw.]. 91. Wir lehren nichts Neues, sondern Altes, und, was vor uns die Apostel und alle gottseligen Lehrer gelehrt haben, das schaerfen wir ein und befestigen es. Und wollte doch Gott, dass wir es wohl einpraegen und fest machen koennten, so dass wir es nicht allein im Munde, sondern, wohl verstanden (_bene meditata_), tief im Herzen haben moechten und es besonders in Todesnoethen recht gebrauchen koennten. _Dass er uns errettete von dieser gegenwaertigen argen Welt_ 92. Auch in diesen Worten handelt Paulus in Wahrheit von dem, was den Inhalt dieser ganzen Epistel ausmacht. Er nennt diese ganze Welt, wie sie war, ist und sein wird, "die gegenwaertige Welt" im Unterschiede von der kuenstigen und ewigen Welt. Sodann nennt er sie eine "arge Welt", weil alles, was in dieser Welt ist, der Bosheit des Teufels unterworfen ist, der in der ganzen Welt regiert. Darum ist die Welt des Teufels Reich. Denn in derselben ist nichts Anderes als Unwissenheit in Bezug auf Gott, Berachtung Gottes, Laesterung und Hass gegen Gott, desgleichen Ungehorsam gegen alle Worte und Werke Gottes. In diesem Reiche und unter seiner Herrschaft sind wir. 93. Hier siehst du wiederum, dass niemand durch seine Werke oder eigene Kraefte die Suenden tilgen kann, weil diese gegenwaertige Welt arg ist, und wie Johannes [1. Ep. 5, 19.] sagt, "im Argen liegt". So viele ihrer also in der Welt sind, die sind des Teufels gefangene Glieder, die ihm dienen und alles nach seinem Willen thun muessen. Was hat es denn genuesst, dass man so viele Orden gestiftet hat, um die Suenden zu tilgen, dass man so viele grosse und ueberaus beschwerliche Werke erdacht hat, naemlich haerene Hemden tragen, den Lieb mit Geisseln schlagen, dass das Blut darnach gelaufen ist, in vollem Harnisch 6) nach St. Jakob laufen [usw.]? Dergleichen magst du immerhin thun, nichtsdestoweniger bleibt aber diese Erklaerung stehen: Du bist in dieser gegenwaertigen und argen Welt, nicht in Christi Reiche. Wenn du nicht in Christi Reiche bist, so ist es gewiss, dass du zu des Teufels Reiche, das ist, zu der argen Welt gehoerst. Daher sind auch alle Gaben, die du hast, geistige und leibliche, als da sind Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Beredtsamkeit, Gewalt, Schoenheit, Reichthum Werkzeuge und knechtische Waffen dieser hoellischen Tyrannei, und mit allem diesem musst du dem Teufel dienen und sein Reich foerdern und mehren. 94. Erstlich verdunkelst du durch deine Weisheit die Weisheit und Erkenntniss Christi und verfuehrst die Leute durch gottlose Lehre, dass sie nicht zu der Gnade und Erkenntniss Christi kommen koennen. Du lobst und ruehmst deine eigene Gerechtigkeit und Heiligkeit, aber die Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi, durch welche wir allein gerecht und lebendig gemacht werden, die verabscheuest du aufs aeusserst und verdammst sie als gottlos und teuflisch. Ferner zerstoerst du durch deine Macht das Reich Christi, missbrauchst sie, das Evangelium damit auszurotten, die Diener Christi zu verfolgen und zu toedten nebst allen, die sie hoeren [usw.] Deshalb ist diese deine Weisheit, wenn du ausser Christo bist, eine zwiefaeltige Thorheit, deine Gerechtigkeit eine zwiefaeltige Suende und Gottlosigkeit, weil sie die Weisheit und Gerechtigkeit Christi nicht kennt, und sie noch dazu verdunkelt, hindert, laestert und verfolgt. 95. Deshalb nennt Paulus die Welt mit Recht eine arge Welt, weil sie dann am aergsten ist, wenn sie am besten ist. In den Geistlichen, Weisen und Gelehrten [usw.] ist die Welt am besten, jedoch in der That und Wahrheit zwiefaeltig boese. Ich will jetzt nichts sagen von den groben Vergehen wider die zweite Tafel, als da sind Ungehorsam gegen die Eltern, gegen die Obrigkeit [usw.], Ehebruch, Hurerei, Geiz, Diebstahl, Mord, Neid, bitterer Hass, in welchen die Welt ganz ersoffen ist. Doch sind dies nur geringe Suenden, wenn man sie vergleicht mit der Weisheit, Gerechtigkeit [usw.] der Gottlosen, mit welchen sie wider die erste Tafel streiten. Der weisse Teufel, welcher die Menschen zu geistlichen Suenden antreibt, die man fuer Gerechtigkeit in den Kauf nehmen soll, ist weit schaedlicher als der schwarze Teufel, der nur zu fleischlichen Suenden treibt, welche auch die Welt fuer Suenden erkennt. 96. Mit diesen Worten nun: "Dass er uns errettete" [usw.], zeigt Paulus, wovon dieser ganze Brief handele, dass naemlich die Gnade und Christus vonnoethen sei, und dass keine Creatur, weder Mensch noch Engel, den Menschen aus dieser argen Welt erretten koenne. Denn das sind Werke allein der goettlichen Majestaet, die nicht in der Gewalt eines Menschen oder eines Engels stehen, dass Christus die Suende getilgt und uns aus der Tyrannei und Herrschaft des Teufels errettet hat, das heisst, aus der argen Welt, welche ein gehorsamer Sclave und williger Nachahmer ihres Gottes, des Teufels, ist. Alles, was dieser Moerder und Vater der Luege nur thut und redet, das ahmt sein ueberaus folgsamer Sohn, die Welt, aufs trefflichste nach und vollbringt es auch. Darum weiss sie auch gar nichts von Gott, steckt voll Hass, Luege, Irrthum, Laesterung und Berachtung gegen Gott; sodann auch voll grober Suenden, Mord, Ehebruch, Hurerei, Diebstahl, Raeuberei [usw.], weil sie ihrem Vater, dem Teufel, nachfolgt, der ein Luegner und Moerder ist [John. 8, 44]. Und je weiser, gerechter und heiliger die Leute sind ausser Christo, desto mehr schaden sie dem Evangelio. So sind auch wir, die wir in geistlichem Stande waren, vor dem Lichte des Evangelii zwiefach arg und gottlos gewesen im Pabstthum, doch unter dem Namen der Gottseligkeit und Heiligkeit. 97. Du musst aber auch diese Worte Pauli ernstliche und wahre Worte sein lassen, sie nicht fuer geschminkte oder erdichtete halten, naemlich, dass die gegenwaertige Welt arg sei. Lass dich das nicht irre machen, dass die meisten Menschen viel herrlicher Tugenden haben, dass bei den Heuchlern eine so grosse scheinbare Heiligkeit ist [usw.], sondern gib vielmehr darauf Achtung, was Paulus sagt, aus dessen Worten du diesen Ausspruch wider die Welt ganz frei und aufs allergewisseste vorbringen kannst, dass die Welt mit aller ihrer Weisheit, Gerechtigkeit und Gewalt das Reich des Teufels sei, aus welchem allein Gott durch seinen eingebornen Sohn uns erretten kann. 98. Darum sollen wir Gott den Vater loben und ihm fuer diese unermessliche Barmherzigkeit danken, dass er uns aus des Teufels Reiche, in welchem wir gefangen gehalten wurden, durch seinen Sohn befreit hat, da es unmoeglich war, dass dies durch unsere Kraefte haette geschehen koennen. Und zugleich wollen wir mit Paulo bekennen, dass alle unsere Werke und Gerechtigkeit nur Schade und Dreck seien, mit denen allen wir dem Teufel auch nicht ein Haar kruemmen konnten. 99. Auch alle Kraft des freien Willens, alle pharisaeische Weisheit und Gerechtigkeit, alle Orden, Messen, geistlichen Staende, Heiligendienst, Geluebde, Fasten, haerene Hemden [usw.] treten wir mit Fuessen und speien sie an als das abscheulichste unflaethige Kleid und das verderblichste Gift des Teufels. Dagegen wollen wir die Ehre Christi klar ans Licht stellen und verherrlichen, der uns durch seinen Tod nicht bloss von der Welt, sondern von der argen Welt errettet hat. 100. Denn durch dieses Beiwort (_epitheto_), dass er die Welt eine arge nennt, zeigt Paulus an, dass das Reich der Welt oder des Teufels ein Reich sei der Gottlosigkeit, der Unwissenheit, des Irrthums, der Suende, des Todes, der Laesterung, der Verzweislung und der ewigen Verdammniss; dagegen ergibt sich aus dem Gegensatze (_per antithesen_), dass das Reich Christi sei ein Reich, in welchem es recht zugeht (_aequitatis_), ein Reich des Lichtes, der Gnade, der Vergebung der Suenden, des Friedens, des Trostes, der Seligkeit und des ewigen Lebens, in welches wir durch unserem Herrn Jesum Christum versetzt sind. Dem sei Ehre in Ewigkeit, Amen. _Nach dem Willen Gottes und unseres Vaters._ 101. Paulus ordnet alle seine Worte in solcher Weise und richtet sie so ein, dass sie wider sie falschen Apostel fuer den Artikel von der Rechtfertigung streiten. Christus, sagt er, hat uns aus diesem ueberaus argen Reiche des Teufels und der Welt errettet, und dies hat er gethan nach dem Willen, nach dem Wohlgefallen und auf Befehl des Vaters. Daher sind wir nicht errettet durch unser Wollen oder Laufen, nicht durch unseren Rath oder Willen, sondern durch Gottes Barmherzigkeit und Wohlgefallen, wie auch anderswo geschrieben steht [1 Joh. 4, 9. 10.]: "Darin ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat, und seinen eingebornen Sohn gesandt hat zu einem Versoehner fuer unsere Suenden." Dass wir also errettet sind aus der argen Welt ist lauter Gnade, nicht unser Verdienst. Paulus ist so ueberreich und hitzig in der Verherrlichung der Gnade, dass er auch jedes einzelne Wort schaerft und wider die falschen Apostel richtet. 102. Es ist noch eine andere Ursache, warum Paulus hier den Willen des Vaters erwaehnt, welcher auch ueberall im Evangelio Johannis angezeigt wird, wo Christus, da er sein Amt ruehmt, uns auf den Willen des Vaters verweist, dass wir in seinen Worten und Werken nicht sowohl ihn als den Vater ansehen sollen. Denn Christus ist in die Welt gekommen und hat die menschliche Natur an sich genommen, damit er das Opferlamm wuerde fuer die Suenden der ganzen Welt und uns so mit dem Vater versoehnte, und er allein uns offenbarte, dass dies aus gnaedigem Willen des Vaters geschehen sei, auf dass wir so, die Augen auf Christum geheftet, gerades Weges zum Vater gezogen und gefuehrt werden moechten. 103. Denn, wie ich oben [Paragraph 53 ff.] erinnert habe, man muss nicht denken, dass man durch Gruebeln ueber die Majestaet irgend etwas Heilsames von Gott wissen koenne, es sei denn, man ergreife Christum, der nach dem Willen des Vaters sich selbst fuer unsere Suenden in den Tod gegeben hat. Wenn du diesen Willen Gottes in Christo erkennst, so siehst du gar keinen Zorn mehr, es hoert die Furcht und das Zittern [usw.] auf, und es ist kein anderer Gott zu gewahren, als allein der barmherzige Gott, der aus vorbedachtem Rath wollte, dass sein Sohn fuer uns sterben sollte, damit wir durch ihn leben moechten. Diese Erkenntniss macht das Herz froehlich, dass es gewisslich dafuerhaelt, Gott habe sich nicht vorgesetzt zu zuernen, sondern uns elenden Suender so zu lieben, dass er seinen eingebornen Sohn fuer uns gab. Darum ist es nicht ohne Ursache, dass Paulus dies einschaerft, Christus sei nach dem Willen des Vaters fuer unsere Suenden gegeben. 104. Dagegen die Gruebeleien ueber die Majestaet, ueber die erschrecklichen Gerichte Gottes, naemlich, wie er die ganze Welt durch die Suendfluth verderbt, wie er Sodom zerstoert habe [usw.], sind gefaehrlich und stuerzen endlich die Menschen in Verzweiflung und voelliges Verderben, wie ich oben [Paragraph 55] angezeigt habe. _Gottes und unseres Vaters._ 105. Das Wort "unseres" ist auf beides zu beziehen, so dass die Meinung ist: Unseres Gottes und unseres Vaters. Derselbe ist also der Vater Christi und unser Vater. So sagt Christus auch Joh. 20, 17. zu Maria Magdalena: "Gehe hin zu meinen Bruedern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott." Gott ist also unser Vater und unser Gott, aber durch Christum. Und dies ist eine apostolische und recht Paulinische Art zu reden, denn Paulus gebraucht zwar Worte, die keinen grossen Schein haben, redet aber doch in der geeignetsten und gewaltigsten Weise. --------- 1) Hier haben wir mit der Jenaer und Erlanger _recepit_ angenommen, statt _recipit_ in der Wittenberger. 2) Die drei folgenden Paragraphen hat Aurifaber als Tischreden Luthers eingefuehrt (in Cap. 9, [Paragraphen] 7-9) mit den Worten: "Da einer fragte, wie man ihm doch mit den Suenden thun solle, . . . sprach D. Martin." In unserer Ausgabe der Tischreden sind diese drei Paragraphen weggelassen. 3) Das Folgende, ein sehr langer Abschnitt, von [Paragraph] 74 bis [Paragraph] 89 (ausgenommen allein [Paragraph] 80), ist von Aurifaber fuer die Tischreden verwendet worden; das in [Paragraph] 88 Enhaltene sogar zweimal. Es findet sich in den alten Tischreden Cap. 9, [Paragraphen] 10 und 11; Cap. 7, [Paragraph] 128; Cap. 24, [Paragraphen] 31 bis 35; Cap. 7, [Paragraphen] 129, 130 und (Duplicat in den Tischreden) Cap. 24, [Paragraph] 35. In unserer Ausgabe der Tischreden sind diese Stuecke weggelassen. 4) Vergleiche St. Louiser Ausgabe, Bd. VIII, 285, [Paragraph] 50. 5) Das Wort _duae_ (bezogen auf _nostris_, deshalb "zwei") fehlt in der Wittenberger. 6) Wittenberger falsch: _inermis_ statt _in armis._ _____________________________________________________________________________ This text was converted to ascii format for Project Wittenberg by Robert A. Oeser and is in the public domain. You may freely distribute, copy or print this text. Please direct any comments or suggestions to: Rev. Robert E. Smith of the Walther Library at Concordia Theological Seminary. E-mail: smithre@mail.ctsfw.edu Surface Mail: 6600 N. Clinton St., Ft. 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