_D. Martin Luthers ausfuerliche Erklaerung der Epistel_ _an die Galater._ Anno 1535 Neu aus dem Lateinischen uebersetzt. Published in: _Dr. Martin Luthers Saemmtliche Schriften_ herausgegeben von Dr. Joh. Georg Walch Neunter Band. _Auslegung des Neuen Testaments._ _(Schluss.)_ (St. Louis, Mo.: Concordia Publishing House, 1893) (cols. 44 - 53) _Das erste Capitel._ _V. 3. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesu Christo._ 45. Ich hoffe, dass ihr wohl wisset, was Gnade und Friede sei, weil diese Worte bei Paulus haeufig vorkommen und jetzt nicht verborgen sind. Aber weil wir diese Epistel handeln, zwar nicht aus Noth oder wegen ihrer Schwierigkeit, sondern um unsere Gewissen wider kuenstige Ketzereien zu befestigen, so wird es nicht verdriesslich sein, dass wir hier das wiederholen, was wir anderswo auch lehren, predigen, malen, singen und schreiben. Denn wenn der Artikel von der Rechtfertigung darnieder liegt, so liegt alles. Deshalb ist es hoechst nothwendig, dass wir ihn bestaendig einpraegen und schaerfen, wie Moses [5 Mos. 6, 7.] von seinem Gesetze sagt. Denn er kann nicht genug oder zu viel eingepraegt und darauf gedrungen werden. Ja, wenn wir ihn auch rechtschaffen lernen und ihn festhalten, so ist doch niemand, der ihn vollkommen ergreise oder mit voelliger Hingebung und von ganzem Herzen glaube. So gar schluepfrig ist unser Fleisch und widerstreitet dem Gehorsam des Geistes. 46. Es ist aber dieser apostolische Gruss, ehe die Predigt des Evangelii anging, der Welt neu und etwas ganz Unerhoertes. Und diese beiden Woerter "Gnade" und "Friede" begreifen das ganze Christenthum in sich. Die Gnade vergibt die Suende, der Friede macht das Gewissen ruhig. Unsere beiden Teufel, die uns plagen, sind die Suende und das [boese] Gewissen. Aber diese beiden Ungeheuer hat Christus ueberwunden und unter seine Fuesse getreten, beide in dieser und in der zukuenftigen Welt. Dies weiss die Welt nicht. Darum kann sie nichts Gewisses davon lehren, wie die Suende, das boese Gewissen und der Tod ueberwunden werden kann. Allein die Christen haben die rechte Weise, wie man davon lehren soll (_hoc doctrinae genus_), werden dadurch geuebt und gewappnet, dass sie siegen koennen wider die Suende, wider die Verzweiflung und wider den ewigen Tod. Und diese Art der Lehre ist von Gott gegeben, nicht gefunden durch den freien Willen, durch menschliche Vernunft oder menschliche Weisheit. 47. Es begreifen aber, wie ich gesagt habe, diese beiden Woerter, Gnade und Friede, das ganze Christenthum in sich; die Gnade die Vergebung der Suenden, der Friede ein ruhiges und froehliches Gewissen. Ferner kann man niemals Frieden im Gewissen haben, wenn nicht die Suende vergeben ist. Sie wird aber nicht vergeben um der Erfuellung des Gesetzes willen, weil niemand dem Gesetze ein Genuege thut, sondern das Gesetz zeigt vielmehr die Suende an, verklagt und erschreckt das Gewissen, verkuendigt den Zorn Gottes und treibt zur Verzweiflung. Viel weniger wird die Suende weggenommen durch Werke und Bemuehungen, die von Menschen erdacht sind, als da sind gottlose [Heiligen-] Verehrung, geistliche Staende (_religiones_), Geluebde, Wallfahrten: kurz, sie wird durch seine Werke weggenommen, sondern vielmehr durch dieselben vermehrt. Denn je mehr die Werkheiligen sich bemuehen und es sich sauer werden lassen, die Suende wegzunehmen, desto aerger wird es mit ihnen. Sie wird aber allein durch die Gnade weggenommen, und durchaus auf keine andere Weise. Deshalb stellt Paulus jedesmal im Gruss in allen seinen Episteln der Suende und dem boesen Gewissen die Gnade und den Frieden [usw.] entgegen. Darauf muss man sehr fleissig Acht haben. Die Worte sind leicht, aber in der Anfechtung ist est sehr schwer, im Herzen gewiss daran festzuhalten, dass wir allein durch die Gnade Vergebung der Suenden und Frieden mit Gott haben, und alle anderen Mittel, die es im Himmel und auf Erden gibt, dabei ausgeschlossen sind. 48. Die Welt versteht diese Lehre nicht. Deshalb will und kann sie dieselbe nicht allein nicht dulden, sondern verdammt sie auch als ketzerisch und gottlos. Sie ruehmt den freien Willen, das Licht der Vernunft, den unverletzten Zustand der natuerlichen Kraefte (_naturalium_) und gute Werke, durch welche sie Gnade und Frieden, das heisst, Vergebung der Suenden und ein froehliches Gewissen verdienen und erlangen koenne. Aber es ist unmoeglich, dass das Gewissen zufrieden und froehlich werden koenne, wenn es nicht Frieden hat durch diese Gnade, das ist, durch die Vergebung der Suende, die in Christo verheissen ist. 49. Zwar haben sich viele aengstlich abgemueht und dazu verschiedene Orden und Uebungen erfunden, dasssie das Gewissen ruhig machten. Aber sie haben sich dadurch nur in mehr und groessere Uebel versenkt. Denn alle diese Bemuehungen dienen nur dazu, den Zweisel und die Verzweiflung zu vermehren. Darum kann "kein Friede in meinen" und deinen "Gebeinen" [Ps. 38,4.] sein, wenn wir nicht das Wort der Gnade hoeren und bestaendig und treu uns darauf stuetzen; dann erlangt das Gewissen sicherlich Frieden. 50. Es unterscheidet der Apostel aber deutlich diese Gnade und diesen Frieden von aller anderen Gnade und Frieden, weil er nicht den Kaiser, Koenige und Fuersten um Gnade und Frieden fuer die Galater anruft, denn diese verfolgen gemeiniglich die Gottseligen und "lehnen sich auf wider den Herrn und seinen Gesalbten", Ps. 2, 2.; auch nicht die Welt, denn "in der Welt", sagt Christus [Joh. 16,33.], "habt ihr Angst", sondern Gott, unsern Vater [usw.], das heisst, er wuenscht ihnen den goettlichen Frieden an. So sagt auch Christus [Joh. 14,27.]: "Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich, wie die Welt gibt." 51. Der Friede der Welt kann nichts Anderes gewaehren als den Frieden an Leib und Gut, dass wir im Fleische froehlich und ruhig leben koennen. So laesst uns die Gnade der Welt unserer Gueter geniessen, wirst uns nicht aus dem, was wir besitzen [usw.] Aber in Truebsal und in der Stunde des Todes kann uns die Gnade und der Friede der Welt nicht helfen, kann uns aus Truebsal, Verzweiflung oder Tod nicht herausreissen. 52. Wenn aber die Gnade und der Friede Gottes da ist im Herzen, dann ist der Mensch stark, so dass er weder durch Widerwaertigkeiten niedergebeugt, noch durch Wohlergehen uebermuethig gemacht wird, sondern er geht die rechte Mittelstrasse. Denn er empfaengt die noethige Kraft (_efficaciam_) aus dem Siege Christi ueber den Tod, und in dem gewissen Vertrauen darauf faengt er an, in seinem Gewissen ueber die Suende und den tod zu herrschen, denn er hat durch ihn gewisse Vergebung der Suenden. Da er diese empfangen hat, wird sein Gewissen stille und aufgerichtet durch das Wort der Gnade. So kann denn der Mensch, getroestet und nue belebt durch die Gnade Gottes, das ist, durch die Vergebung der Suenden und diesen Frieden des Gewissens, alle Truebsale, ja, auch den Tod tapfer ertragen und ueberwinden. Dieser Friede Gottes ist der Welt nicht gegeben, weil sie dessen weder begehrt noch ihn versteht, sondern den Glaeubigen, wird auch auf keine andere Weise erlangt als allein durch die Gnade Gottes. _Eine wohl zu beachtende Regel: Man soll_ _sich der Gruebeleien ueber die goettliche_ _Majestaet enthalten_ 53. Aber warum fuegt der Apostel hinzu: "Und von unserm Herrn Jesu Christo"? War es denn nicht genug zu sagen: "Von Gott, unserm Vater"? Warum verbindet er denn Jesum Christum mit dem Vater? Ihr habt oft von uns gehoert, dass diese Regel in der heiligen Schrift sehr sorgfaeltig beobachtet werden muss, dass wir uns der Gruebelei (_speculatione_) ueber die goettliche Majestaet enthalten sollen welche [Majestaet] der Mensch nicht einmal dem Leibe nach ertragen kann, viel weniger in seinem geistigen Wesen (_menti_), "denn", sagt die Schrift [2 Mos. 33, 20], "kein Mensch wird leben, der mich siehet". 54. Der Pabst, Tuerken, Juden und alle Werkheiligen kehren sich nicht an diese Regel, darum setzen sie Christum, den Mittler, aus den Augen, reden allein von Gott, beten, leben und thun alles Gott [ohne Christum]. So gedenkt ein Moench: Diese Werke, die ich thue, gefallen Gotte; diese meine Geluebde wird Gott ansehen und mich um derselben willen selig machen. Ein Tuerke [denkt]: Wenn ich halte, was im Alkoran befohlen ist, so wird Gott mich annehmen und mir das ewige Leben geben; ein Jude: Wenn ich thue, was das Gesetz gebietet, so habe ich einen gnaedigen Gott und werde selig. So wandeln heutzutage die Schwaermer, die sich des Geistes, der Erleuchtung, der Gesichte und, ich weiss nicht, was fuer anderer seltsamer Dinge ruehmen, in wunderlichen Sachen, die ihnen zu hoch sind. Diese neuen Moenche 1) erdichten ein neues Kreuz und neue Werke und lassen sich traeumen, dass sie um derselben willen Gotte gefallen. Kurz: So viele ihrer such sind, die den Artikel von der Rechtfertigung nicht kennen, die nehmen Christum, den Versoehner, aus dem Mittel, wollen Gott in seiner Majestaet durch die Urtheilskraft der menschlichen Vernunft ergreisen und ihn durch Werke beguetigen. 55. Uber die christliche und wahre Theologie haelt uns Gott nicht vor in seiner Majestaet, wie Moses und andere Lehren thun, befiehlt nicht, das Wesen Gottes zu erforschen, sondern dass wir seinen Willen, den er uns in Christo vorgelegt hat, erkennen sollen. Gott hat gewollt, dass Christus die menschliche Natur (_carnem_) annaehme, geboren wuerde und stuerbe um unserer Suende willen, und dass dieses gepredigt werde unter allen Voelkern. Denn da Gott wusste, "dass die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch thoerichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben" [1 Cor. 1, 21.]. Deshalb ist nichts gefaehrlicher, wenn wir im Kampfe wider das Gesetz, wider die Suende und wider den Tod mit Gott zu handeln haben, als dass wir mit unseren Gruebeleien im Himmel umherschweisen und Gott selbst betrachten in seiner unbegreiflichen Macht, Weisheit und Majestaet, wie er die Welt erschaffen habe und regiere. 2) Wenn du Gott in solcher Weise ergreifen und ihn ohne den Versoehner Christus gnaedig machen willst, und dich mit deinen Werken, Fasten, Kappe und Platte ins Mittel stellen, so kann es nicht anders kommen, als dass du fallest wie Lucifer, und in entsetzlicher Verzweiflung Gott und alles verlierest. Denn wie Gott in seinem Wesen unermesslich, unbegreiflich und unendlich ist, so ist er der menschlichen Natur unertraeglich. 56. Wenn du daher sicher und ohne Gefahr des Gewissens und der Seligkeit sein willst, so wehre dieser Neigung zu forschen (_sensum speculativum_), und ergreife Gott, wir Paulus dich lehrt, ihn zu ergreifen, 1 Cor. 1, 23, f.: "Wir predigen den gekreuzigten Christum, den Juden ein Aergerniss, den Heiden eine Thorheit. Denen aber, die berufen sind, beide Juden und Griechen, predigen wir Christum, goettliche Kraft und goettliche Weisheit." Darum fange da an, wo Christus selbst angefangen hat, naemlich [da er liegt] in dem Leibe der Jungfrau, in der Krippe, an den Bruesten der Mutter [usw.] Denn dazu ist er [vom Himmel] herniedergekommen, geboren, hat unter den Menschen gewandelt, gelitten, ist gekreuzigt und gestorben, damit er sich uns auf jede Weise vor Augen stellte und die Augen unseres Herzens auf sich richtete, um dadurch das Aufsteigen zum Himmel und das Erforschen der Majestaet zu verhindern. 57. Wenn du daher mit der Lehre von der Rechtfertigung zu thun hast und darueber disputirst, wie man Gott finden koenne, der da rechtfertigt oder die Suender annimmt, wo und wie er gesucht werden muesse, dann sollst du durchaus von keinem anderen Gotte wissen, ausser diesem Menschen Jesus Christo. Den ergreife und hange an ihm von ganzem Herzen und lass das Ergruebeln der Majestaet anstehen. Denn wer die Majestaet erforschen will, der wird von ihrer Herrlichkeit erdrueckt. Ich weiss es und habe das erfahren, was ich sage. Aber die schwaermerischen Menschen, welche ohne den Mittler Christus mit Gott handeln, glauben mir nicht. Christus selbst sagt, Joh. 14,6.: "Ich bin der Weg, und die Wahrheit, und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich." Daher wirst du ausser diesem Wege, Christo, schlechthin keinen anderen Weg zum Vater finden, sondern Irrthum; nicht die Wahrheit, sondern Heuchelei und Luege; nicht das Leben, sondern den ewigen Tod. Darum sei dessen wohl eingedenk, dass man in der Sache der Rechtfertigung, wo wir alle mit dem Gesetz, der Suende, dem Tode, dem Teufel und der Ueberwindung alles Uebels zu thun haben, keinen anderen Gott kennen soll als den menschgewordenen und menschlichen Gott. 58. Wenn du sonst ausserhalb dieser Lehre von der Rechtfertigung etwa mit Juden, Tuerken oder Ketzern zu disputiren hast ueber die Wesiheit, Macht Gottes [usw.], dann gebrauche alle deine Kunst, und sei ein so scharfsinniger und spitzfindiger Disputator, wie du nur immer kannst, denn da handelt es sich um etwas Anderes. Aber in der Sache des Gewissens, der Gerechtigkeit, des Lebens (das will ich mit besonderem Nachdruck hervorgehoben haben), wider das Gesetz, die Suende, den Tod und den Teufel, oder in dieser Sache, da es sich handelt um die Genugthuung, um die Vergebung der Suenden, um die Versoehnung, um die ewige Seligkeit, da wende deinen Geist ganz und gar von allen Gedanken und Gruebeleien der Majestaet ab, und schaue ganz allein auf diesen Menschen, der sich uns zum Mittler vorstellt und spricht [Matth. 11,28.]: "Kommt her zu mir alle, die ihr muehselig und beladen seid" [usw.] Wenn du dieses thust, dann wirst du die Liebe, die Guete, die Freundlichkeit Gottes sehen, wirst Gottes Weisheit, Macht und Majestaet lieblich vorgebildet sehen und deinem Fassungsvermoegen angepasst, und wirst in diesem anmuthigen Bilde alles finden nach dem Worte Pauli an die Colosser, Cap. 2, 3.: "Alle Schaetze der Weisheit und der Erkenntniss sind in Christo verborgen", desgelichen [V. 9,]: "In ihm wohnt die ganze Fuelle der Gottheit leibhaftig." Dies weiss die Welt nicht. Deshalb forscht sie, was ihr nur zum groessten Schaden gereichen kann, ohne die Verheissung von Christo nach dem Willen Gottes. Denn "niemand kennt den Vater denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren" [Matth. 11, 27.]. 59. Und dies ist es, warum Paulus so haeusig Jesum Christum mit Gott dem Vater zu verbinden pflegt, naemlich damit er uns die christliche Religion lehre, welche nicht von dem Hoechsten anhebt, wie alle anderen Religionen thun, sondern von dem Niedrigsten. Er befiehlt uns, auf der Leiter Jakobs hinaufzusteigen, auf welcher Gott selbst oben steht, deren unteres Ende (_pedes_) die Erde beruehrt neben dem Haupte Jakobs [1 Mos. 28, 12. f.]. 60. Deshalb, wenn du in Betreff deiner Seligkeit etwas denken und thun willst, dann lass alle Gruebeleien ueber die Majestaet anstehen, entschlage dich aller Gedanken von Werken, Sassungen, lass die Philosophie und selbst das goettliche Gesetz bei Seite, laufe zu der Krippe und zum Schoosse der Mutter und ergreife dieses Kind, das Soehnlein der Jungfrau, schaue auf ihn, wie er geboren wird, [seiner Mutter Brust] saugt, waechst, unter den Menschen wandelt, lehrt, stirbt, wieder aufersteht, erhoeht ist ueber alle Himmel, und Gewalt hat ueber alle Dinge. Auf diese Weise kannst du zuwege bringen, dass die Wolken von der Sonne vertrieben werden, kannst alle Furcht und auch jeden Irrthum vermeiden. Und wenn du dieses ansiehst, erhaelt es dich auf der rechten Bahn, so dass du dahin zu folgen vermagst, wohin Christus selbst gegangen ist. Dadurch also, dass Paulus Gnade und Frieden wuenscht, nicht allein von dem Vater, sondern auch von Jesu Christo, lehrt er uns erstlich dieses, dass wir uns der Gruebeleien ueber die Gottheit entschlagen sollen, denn niemand kennt Gott; sondern, dass wir Christum hoeren sollen, der in des Vaters Schooss ist und uns seinen Willen offenbart, der auch hierin vom Vater zum Lehrer gesetzt ist, damit wir alle ihn hoeren sollen. _Christus ist von Natur Gott._ 61. Das zweite, was Paulus hier lehrt, dient zur Bestaetigung unseres Glaubens, dass Christus wahrer Gott ist. Und derartige Aussprueche ueber die Gottheit Christi soll man fleissig sammeln und gute Acht darauf haben, nicht allein wider die Ketzer, die Arianer und andere, die gewesen sind oder noch kommen moegen, sondern auch um uns selbst zu befestigen, weil der Satan nicht unterlassen wird, alle Artikel des Glaubens in uns anzufechten, ehe wir sterben. Er ist der bitterste Feind des Glaubens, weil er weiss, "dass der Glaube der Sieg ist, der die Welt ueberwindet". Deshalb muessen wir uns Muehe geben, dass unser Glaube gewiss sei, durch fleissiges und unablaessiges Umgehen mit dem Worte und Gebet wachse und befestigt werde, damit wir dem Satan widerstehen koennen. 3) 62. Dass aber Christus wahrer Gott sei, wird daraus klar erwiesen, dass Paulus ihm in gleicher Weise dasselbe zuschreibt als dem Vater, naemlich goettliche Macht, dass er Gnade geben kann, Vergebung der Suenden, Frieden des Gewissens, Leben, den Sieg ueber Suende, Tod, Teufel und Hoelle. Dies duerfte Paulus durchaus nicht thun, ja, es waere ein Gottesraub, wenn Christus nicht wahrer Gott waere, wie geschrieben steht [Jes. 42, 8]: "Ich will meine Ehre keinem andern geben." Sodann niemand gibt anderen das, was er selbst nicht hat. Da aber Christus Gnade, Frieden, den Heiligen Geist schenkt, aus der Gewalt des Teufels, von Suende und Tod frei macht, so ist gewiss, dass er unendliche und goettliche Macht hat, die in allen Dingen der Macht des Vaters gleich ist. Christus schenkt auch nicht Gnade und Frieden, wie die Apostel Gnade und Frieden bringen durch die Predigt des Evangelii, sondern er schenkt sie als der Urheber und Schoepfer. Dr Vater schafft und gibt das Leben, Gnade, Frieden [usw.]. Und eben dies schafft und schenkt der Sohn. 63. Aber solche Werke als Gnade, Frieden, ewiges Leben geben, Suenden erlassen, rechtfertigen, lebendig machen, vom Tode und Teufel befreien, sind nicht Werke irgend einer Creatur, sondern einig und allein der goettlichen Majestaet; auch die Engel koennen diese weder schaffen noch schenken. Darum gehoeren diese Werke allein zu der Herrlichkeit der hoechsten Majestaet, der Schoepferin aller Dinge. Da aber Paulus Christo dieselbe und gleiche Macht zuschreibt mit dem Vater, dies alles zu schaffen und zu schenken, so folgt, dass er wahrhaftig und von Natur Gott ist. 64. Solcher Beweisgruende sind viele bei Johnannes, wo aus den Werken, welche gleicher Weise dem Sohne mit dem Vater zugeschrieben werden, bewiesen und unwiderleglich festgestellt wird, dass der Vater und der Sohn daselbe goettliche Wesen (_divinitas_) haben. Deshalb empfangen wir nichts Anderes oder keine andere Gabe vom Vater als vom Sohne, sondern Eines und dasselbe geht vom Vater und vom Sohne aus. Sonst haette Paulus anders geredet, naemlich so: Gnade von Gott dem Vater und Friede von dem Herrn Jesu Christo; aber er verbindet beides und schreibt es in gleicher Weise sowohl dem Vater als auch dem Sohne zu. 65. Dessen thue ich darum so fleissig Erinnerung, weil Gefahr da ist, dass bei so vielen Irrthuemern und so mancherlei und so greulichen Rotten auch noch Ketzer nachfolgen moechten, Arianer, Eunomianer, Macedonianer, welche durch ihre Spitzsindigkeit der Kirche Schaden thun moechten. Die Arianer waren fuerwahr scharfsinnige Leute; sie gestanden zu, dass Christus zwei Naturen haette, dass er Gott vom wahren genannt werde, aber nur angenommener Weise (_nuncupative_) oder dem Namen nach. Christus ist (sagten sie) die edelste und vollkommenste Creatur, hoeher als die Engel, durch welchen Gott nachher Himmel und Erde und alle Dinge geschaffen hat. So redet auch Mahomet herrlich von Christo. Aber dies sind nichts als Gedanken, die einen schoenen Schein haben, und Worte, die der mwenschlichen Vernunft angenehm sind und ihren Beifall finden, durch welche die Schwaermgeister die Leute, die nicht auf ihrer Hut sind, bethoeren. 66. Aber Paulus redet anders von Christo. Ihr seid, sagt er, wohlgegruendet und befestigt in dieser Erkenntniss, dass Christus nicht die vollkommenste Creatur sei, sondern wahrer Gott, weil er dasselbe thut, was Gott thut; er hat goettliche Erke, nicht die einer Creatur, sondern des Schoepfers, weil er Gnade und Frieden gibt. Da er aber diese gibt, so verdammt er dadurch die Suende, zerstoert den Tod, tritt den Teufel unter seine Fuesse. Solche Dinge kann kein Engel schenken. Da aber Christo dies zugeschrieben wird, so muss er nothwendiger Weise von Natur Gott sein. 1) Ueber die "neuen Moenche", die Wiedertaeufer, vergleiche Walch, St. Louiser Ausg. Bd. VII, 636, [Paragraph] 120 f. 2) Das Folgende, von hier an bis gegen Ende von [Paragraph] 60, ist von Aurifaber fuer die Tischreden verwendt. In den alten Ausgaben der Tischreden bildet es Cap. 1, [Paragraph] 36 und Cap. 7, [Paragraphen] 126, 127. Diese Abschnitte sind in unserer Ausgabe der Tischreden weggelassen. 3) Dieser und der naechstfolgende Paragraph ist von Aurifaber fuer Cap. 7, [Paragraph] 2 der Tischreden verwendet. In unserer Ausgabe der Tischreden ist dieser Abschnitt weggelassen worden. Aurifaber bedient sich hier, wie fast ueberall bei seinen Anfuehrungen aus dieser Erklaerung des Briefes an die Galater, der Uebersetzung des Justus Menius, doch ist dieselbe haeusig etwas veraendert. _____________________________________________________________________________ This text was converted to ascii format for Project Wittenberg by Robert A. Oeser and is in the public domain. You may freely distribute, copy or print this text. Please direct any comments or suggestions to: Rev. Robert E. Smith Walther Library Concordia Theological Seminary E-mail: smithre@mail.ctsfw.edu Surface Mail: 6600 N. Clinton St., Ft. 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