_D. Martin Luthers ausfuerliche Erklaerung der Epistel_ _an die Galater._ Anno 1535 Neu aus dem Lateinischen uebersetzt. Published in: _Dr. Martin Luthers Saemmtliche Schriften_ herausgegeben von Dr. Joh. Georg Walch Neunter Band. _Auslegung des Neuen Testaments._ _(Schluss.)_ (St. Louis, Mo.: Concordia Publishing House, 1893) (cols. 28 - 40) _Das erste Capitel._ V. 1. 2. Paulus, ein Apostel (nicht von Menschen, auch nicht durch Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott den Vater, der ihn auferwecket hat von den Toten), und alle Brueder, die bei mir sind: den Gemeinden in Galatien. 1. Nachdem nun angegeben worden ist, um was es sich in der Epistel an die Galater handelt, und der kurze Inbegriff derselben angezeigt, wollen wir jetzt, ehe wir zur Sache selbst kommen, voraus- schicken, was den Paulus veranlasst hat, diese Epistel zu schreiben. Er hatte die reine Lehre des Evangeliums und die Gerechtigkeit des Glaubens bei den Galatern gepflanzt, aber sofort nach seinem Weggange schlichen sich falsche Lehrer ein, welche alles, was er gepflanzt und wohl gelehrt hatte, wieder umstiessen. 2. Denn der Teufel kann nicht anders, er muss diese Lehre heftig anfechten mit Gewalt und List, und er ruht nicht, bis er sie unterdruecke, oder durch Tyrannen oder wenigstens durch Schwaermgeister verderbe und endlich fuer dieselbe, doch unter dem Schein der Gottseligkeit, den sicheren und schnarchenden Leuten eine gottlose Lehre aufdringe. Und um dieser einigen Ursache willen, dass wir die Lehre des Evangeliums rein vortragen, haben wir heutzutage den Teufel zum Feinde, der wider uns das Toben der Welt und den bittersten Hass der Ketzer erregt. 3. Es ist aber das Evangelium eine solche Lehre, welche etwas weit Erhabneres lehrt, als der Welt Weisheit, Gerechtigkeit, Gottesdienst [usw.] ist, naemlich die Vergebung der Suenden, umsonst, durch Christum [usw.]. Es laesst zwar das Evangelium jene Dinge in ihrer Stellung das sein, was sie sind, und lobt sie als gute Creaturen Gottes, aber die Welt zieht diese Creaturen dem Schoepfer vor und will durch sie sogar Suenden tilgen, vom Tode befreit werden und das ewige Leben verdienen. Das wird verdammt durch das Evangelium. 4. Dagegen kann die Welt nicht leiden, dass das Beste, was sie hat, verdammt werde. Deshalb heftet sie dem Evangelio diesen Makel an, als ob es eine aufruehrische und irrige Lehre sei, welche Staaten, Laender, Furstenthuemer, Koenigreiche und Kaiserthum umstosse und deshalb wider Gott und wider den Kaiser suendige, die Gesetze abthue, gute Sitten verderbe, und einem jeglichen die Freiheit zugestehe, ungestraft zu thun, was er wolle. Deshalb verfolgt die Welt diese Lehre mit ganz gerechtem Eifer, und wie es sich ansehen laesst, mit dem hoechsten Begehren Gott einen Dienst zu leisten, und verabscheut die Lehre und Anhaenger derselben als die allerschaedlichste Pest, die es nur auf Erden geben koennte. 5. Sodann wird durch die Lehre des Evangeliums auch der Teufel zertreten, sein Reich zerstoert, das Gesetz, die Suende und der Tod (durch welche er, als durch die maechtigsten und unueberwindlichsten Tyrannen, das ganze menschliche Geschlecht seiner Herrschaft unterworfen hat) ihm entrissen. Endlich werden seine Gefangenen aus dem Reiche der Finsterniss und der Knechtschaft in das Reich des Lichtes und der Freiheit versetzt. Sollte dies der Teufel leiden? Sollte hier der Vater der Luege nicht alle seine Kraefte und Kunstgriffe gebrauchen, um diese Lehre zur Seligkeit und zum ewigen Leben zu verdunkeln, zu verderben und gaenzlich auszurotten? Wenigstens Paulus beklagt sich in diesem Briefe und in allen seinen anderen Episteln, dass der Satan dies in einer ganz besonderen Weise gethan habe durch seine Apostel, da Paulus noch lebte. 6. Eben dasselbe beklagen und beweinen auch wir heutzutage, dass der Satan unserem Evangelio durch seine Diener, die Schwaermgeister, mehr geschadet hat, als durch alle Koenige, Fuersten und Bischoefe, welche es mit Gewalt verfolgt haben und noch verfolgen. Und haetten wir hier in Wittenberg nicht so fleissig und sorgfaeltig gewacht und gearbeitet im Pflanzen und Lehren dieser Lehre des Glaubens, so waeren wir nicht so lange eintraechtig geblieben, sondern es waeren bereits auch unter uns selbst Secten entstanden. Weil wir aber standhaft bei dieser Lehre bleiben und sie bestaendig fleissig treiben, so erhaelt sie uns in der groessten Einigkeit und Frieden. Andere,welche sie entweder vernachlaessigen, oder, wie sie sich duenken lassen, etwas Hoeheres lehren wollen, gerathen in verschiedene und verderbliche Irrthuemer und Secten, deren kein Ende ist, und gehen verloren. Hier haben wir nur beilaeufig anzeigen wollen, dass das Evangelium eine solche Lehre ist, welche alle Gerechtigkeit verdammt und nur die Gerechtigkeit Christi predigt, und denen, welche sie ergreifen, Frieden des Gewissens und alle Gueter bringt, und dass dennoch die Welt sie aufs bitterste hasse und verfolge [usw.] 7. Ich habe gesagt, Paulus habe diese Veranlassung gehabt, diese Epistel zu schreiben, dass falsche Lehrer bald nach seinen Weggange bei den Galatern das nieder- gerissen haben, was er mit grosser Arbeit und in langer Zeit aufgebaut hatte. Es waren aber die falschen Lehrer oder falschen Apostel Leute, welche in grossem Ansehen standen, die aus der Beschneidung und den Pharisaeern herkamen und sich bei dem Volke ruehmten, dass sie aus dem heiligen und auserwaehlten Volke der Juden waeren: sie seien Israeliten aus dem Samen Abrahams, sie haetten die Verheissungen, die Vaeter [usw.]; endlich, sie seien Diener Christi und Schueler der Apostel, mit denen sie Umgang gehabt haetten, und haetten ihre Wunder gesehen. Vielleicht haben sie selbst auch Zeichen gethan, denn Christus bezeugt Matth. 7, 22., dass auch die Gottlosen Zeichen thun. 8. Sodann verkleinerten sie auch mit allen Kunstgriffem, die ihnen zu Gebote standen, das Ansehen des Paulus, indem sie sagten: Warum hebt ihr den Paulus so hoch und ehrt ihn so sehr? Er ist doch gewiss zuletzt von allen zu Christo bekehrt worden. Wir sind Juenger und vertraute Freunde der Apostel; wir haben gesehen, wie Christus Wunder verrichtete, und haben ihn predigen hoeren. Paulus ist spaeter und geringer als wir, und es ist auch nicht moeglich, dass Gott uns irren liesse, die wir von dem heiligen Volke, und Diener Christi sind, und den Heiligen Geist empfangen haben. Ferner sind wir eine ganze Anzahl, Paulus aber ist allein, welcher weder mit den Aposteln verkehrt hat, noch auch Christum gesehen; ja, er die Kirche Christi lange Zeit verfolgt. Sollte Gott um des Einen Paulus willen so viele Gemeinden irren lassen? 9. Wo nun Leute, die in so grossem Ansehen stehen, in eine Stadt oder ein Land kommen, sieht man sofort mit Bewunderung zu ihnen auf, und mit diesem Schein der Gottseligkeit betruegen sie nicht allein die Einfaeltigen, sondern auch Gelehrte und Leute, die im Glauben wohl befestigt sind, zumal wenn sie, wie jene thaten, ihre Abstammung von den Patriarchen ruehmen, desgleichen, dass sie Diener Christi und Juenger der Apostel seien [usw.] In solcher Weise gebraucht heutzutage der Pabst, weil er keine Schrift hat, mit der er sich vertheidigen koennte, fuer und fuer diesen einigen Grund wider uns: Kirche, Kirche! Meinst du, dass Gott so zornig sei, dass er um weniger ketzerischer Lutheraner willen seine ganze Kirche verwerfen sollte? meinst du, dass er seine Kirche so viele Jahrhunderte lang habe irren lassen? Darauf dringt er am meisten, dass die Kirche nicht umgestuerzt werden koenne. Wie aber heutzutage viele Leute durch diesen Grund bewegt werden, so nahmen die falschen Apostel zu der Zeit des Paulus durch die verwundernswerthe Predigt ihres eigenen Lobes die Gemuether der Galater ein, so dass Paulus bei ihnen sein Ansehen verlor, und seine Lehre verdaechtig gemacht wurde. 10. Wider diese leere Prahlerei und Ruehmen der falschen Apostel erhebt nun Paulus mit grosser Festigkeit und unerschuetterlicher Zuversicht sein apostolisches Ansehen und preist gar herrlich seinen Beruf und vertheidigt sein Apostelamt (_ministerium_), und, was er sonst nirgends thut, will niemandem weichen, nicht einmal den Aposteln, viel weniger ihren Juengern. Und um ihren pharisaeischen Hochmuth und ihre harte Stirn zu brechen, erzaehlt er die Begebenheit, welche sich in Antiochien zugetragen hat, wo er dem Petrus selbst widerstanden hatte. Ausserdem scheut er sich nicht vor dem grossen Aergernisse, und sagt im Texte klar heraus, dass er sich unterstanden habe, selbst den Petrus, den obersten der Apostel, welcher Christum gesehen und mit ihm aufs vertraulichste verkehrt hatte, anzuklagen und zu strafen. Ich bin ein Apostel, sagt er, und zwar ein solcher, dem nichts daran liegt, was andere seien, und in solcher Weise, dass ich mich auch nicht gescheut habe, selbst die Saeule der anderen Apostel zu strafen. 11. Und kurz, in den beiden ersten Capiteln nimmt er fast nichts Anderes vor, als dass er seinen Beruf, sein Apostelamt und sein Evangelium preist, welches nicht menschlich sei, das er auch von keinem Menschen empfangen habe, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi; desgleichen, wenn er selbst oder auch ein Engel vom Himmel ein anderes Evangelium predigen wuerde als das, welches er gepredigt habe, der solle verflucht sein. _Die Gewissheit des Berufs._ 12. Aber was richtet Paulus mit diesem seinem Ruehmen aus? Ich antworte: Dieses Hauptstueck christicher Lehre (_locus communis_) dient dazu, dass ein jeglicher Diener des goettlichen Wortes seines Berufes gewiss sei, damit er vor Gott und Menschen zuversichtlich ruehmen koenne, er predige das Evangelium als ein solcher, der berufen und gesandt sei, gleichwie der Gesandte eines Koenigs sich dessen ruehmt und damit prangt, dass er nicht als eine Privatperson kommt, sondern als der Gesandte des Koenigs. Und um dieser Wuerde willen, dass er der Gesandte des Koenigs ist, wird ihm Ehre erwiesen, dass er den Vortritt hat und obenan sitzt, was ihm nicht widerfahren wuerde, wenn er als Privatperson da waere. 13. Darum soll ein Prediger des Evangelii gewiss sein, dass er einen goettlichen Beruf habe, und es ist von grossem Nutzen, dass er nach dem Exempel Pauli diesen seinen Beruf gross mache und ruehme vor dem Volke, damit er sich bei den Zuhoerern Ansehen verschaffe, gleichwie sich ein koeniglicher Gesandter seiner Gesandtschaft ruehmt. Das ist nicht ein eiteles Ruehmen, sondern ein nothwendiger Ruhm, weil er sich nicht wegen seiner eigenen Person,sondern um des Koenigs willen ruehmt, der ihn gesandt hat. Er begehrt, dass dessen Ansehen in Ehren und unverletzlich gehalten werde. Und wenn er im Namen des Koenigs den Willen ausspricht, dass etwas von den Unterthanen ausgefuehrt werden solle, so sagt er nicht: Wir bitten, sondern: Wir befehlen, wir wollen, dass dies geschehe [usw.] Als Privatperson aber sagt er: Wir bitten [usw.]. 14. So auch, da Paulus seinen Beruf herrlich erhebt, so erhebt er sich nicht in anmassender Weise, wie viele dafuerhalten, sondern er preist sein Apostelamt mit einem nothwendigen und heiligen Stolze, wie er im Briefe an die Roemer Cap. 11, V. 13. sagt: "So lange ich der Heiden Apostel bin, will ich mein Amt preisen", das heisst, ich will, dass mich die Leute aufnehmen sollen, nicht als Paulus von Tarsus, sondern als Paulus, den Gesandten oder Apostel Jesu Christi. Und dies thut er nothgedrungen, um sich Ansehen zu verschaffen, damit die Zuhoerer, welche dies vernehmen, aufmerksam, geneigt und willig werden, sich unterrichten zu lassen. Denn sie hoeren nicht den Mann, der nur Paulus ist, sondern in der Person des Paulus Christum selbst, und Gott den Vater, der ihn abordnet. Wie nun die Menschen Gottes Ansehen und Majestaet heilig zu verehren schuldig sind, so muessen sie auch seine Gesandten, welche sein Wort bringen, mit der hoechsten Ehrerbietung aufnehmen und hoeren. 15. Dies ist nun eine merkwuerdige Stelle, da Paulus auf seinen Beruf so stolz ist und sich dessen so ruehmt, dass er alle anderen verachtet. Wenn jemand menschlicher Weise alle anderen gegen sich so verachten wuerde und sich alles anmassen, so beginge er eine ausserordentliche Thorheit und wuerde sich dadurch auch schwer versuendigen. Aber hier ist dieses Ruehmen nothwendig und es hat nicht auf die Ehre Pauli oder unsere Ehre sein Absehen, sondern auf Gottes Ehre, welchem dadurch ein Opfer des Lobes und des Dankes dargebracht wird. Denn durch dieses Ruehmen wird der Name oder die Gnade und die Barmherzigkeit Gottes der Welt kund gethan. Die Epistel an die Galater beginnt nun mit diesen Worten: _V. 1. Paulus, ein Apostel, nicht von Menschen [usw.]_ 16. Gleich zu Anfang tastet er die falschen Lehrer an, welcheruehmten, dass sie Juenger der Apostel und von ihnen gesandt seien. Den Paulus aber verachteten sie, weil er ja weder ein Juenger der Apostel gewesen, noch von irgend jemandem gesandt worden waere, das Evangelium zu predigen, sondern anderswoher gekommen waere, und sich selbst aus eigenem Vornehmen in dies Amt eingedrungen haette. Wider diese vertheidigt Paulus seinen Beruf, indem er sagt: Mein Beruf scheint euren Predigern veraechtlich zu sein, aber wer sieauch immer sein moegen, die zu euch gekommen sind, so sind sie entweder von Menschen oder durch einen Menschen gesendet worden, das heisst, entweder sind sie von sich selbst ohne einen Beruf gekommen, oder berufen von anderen. Mein Beruf aber ist weder von Menschen noch durch einen Menschen, sondern er ist ueber allen Beruf, der nach den Aposteln geschehen konnte. Denn er ist "durch Jesum Christum und Gott den Vater" [usw.] 17. Das Wort "von Menschen" verstehe ich so: die sich selbst berufen und eindringen, waehrend doch weder Gott noch Menschen sie beruft oder sendet, sondern von sich selbst laufen und reden, wie heutzutage die Schwaermgeister, welche entweder durch die Winkel schleichen und Raum suchen, wo sie ihr Gift ausgiessen moechten (in die oeffentlichen Kirchen kommen sie nicht), oder dahin kommen, wo das Evangelium zuvor gepflanzt ist. Das nenne ich: "von Menschen". Aber "durch einen Menschen", die einen goettlichen Beruf haben, aber durch einen Menschen. 18. Es ist daher ein zwiefacher goettlicher Beruf, der eine mittelbar, der andere unmittelbar. Gott beruft uns heutzutage alle zu dem Predigtamt durch den mittelbaren Beruf, das heisst, durch einen Beruf, der durch ein Mittel geschieht, das ist, durch einen Menschen. Die Apostel aber sind ohne Mittel von Christo selbst berufen worden, gleichwie die Propheten im alten Testamente von Gott selbst. Nachher beriefen die Apostel ihre Juenger, wie Paulus den Timotheus, Titus [usw.], welche darnach Bischoefe beriefen, wie Tit. 1, 5. geschrieben steht; die Bischoefe beriefen ihre Nachfolger. Dieser Beruf ist bis auf unsere Zeiten geblieben und wird bis ans Ende der Welt bleiben. Es ist ein mittelbarer Beruf, weil er durch einen Menschen geschieht, und dennoch ein goettlicher Beruf. 19. Wenn in solcher Weise der Fuerst oder die Obrigkeit, oder ich jemanden berufe, so hat er einen Beruf durch einen Menschen; und dies ist nach den Aposteln in der ganzen Welt die allgemeine Art zu berufen. Und diese soll man nicht aenderen, sondern hochschaetzen um der Schwaermer willen,welche sie verachten und einen anderen besseren Beruf ruehmen, da, wie sie sagen, der Geist sie dazu treibe, dass sie lehren. Aber die Betrueger luegen. Sie werden zwar von einen Geiste getrieben, aber nicht von einem guten, sondern von dem boesen Geiste. Mir steht es nicht zu, aus diesem meinem mir angewiesenen Platze (_sortem_) in eine andere Stadt zu gehen, wo ich nicht als ein Diener des Worts berufen bin; und dort zu pregigen (naemlich sofern ich ein Prediger bin; sofern ich aber ein Doctor bin, koennte ich im ganzen Pabstthum predigen, wenn sie mir's nur zuliessen), selbst wenn ich hoerte, dass dort falsch gelehrt wuerde, dass die Seelen verfuehrt wuerden und der Verdammniss anheimfielen, und ich sie durch meine rechte Lehre aus dem Irrthum und der Verdammniss herausreissen koennte; sondern ich soll Gotte die Sache befehlen, der zu seiner Zeit Gelegenheit finden wird, Prediger ordentlicher Weise zu berufen, und sein Wort zu geben. Denn er ist der Herr der Ernte, der auch Arbeiter in seine Ernte senden wird; uns steht es zu zu bitten, Matth. 9, 38. 20. Darum muss man nicht in eine fremde Ernte greifen, wie der Teufel seine Diener anzustiften pflegt, dass sie ohne Beruf laufen, und diesen gluehenden Eifer zum Vorwand nehmen: es thue ihnen leid, dass die Menschen so elend verfuehrt werden; sie wollten die Wahrheit lehren, und die Verfuehrten aus des Teufels Stricken reissen. Ja, wenn jemand auch gottseligem Eifer und in guter Meinung den Verfuehrten durch rechte Lehre aus dem Irrthum heraushelfen wollte, so wuerde dadurch doch ein boeses Beispiel gegeben, wodurch gottlosen Lehrern eine Gelegenheit verschafft wuerde, sich einzudraengen, durch welche der Satan darnach den Predigtstuhl einnehmen und grossen Schaden thun wuerde. 21. Wenn aber der Fuerst oder eine andere obrigkeitliche Person mich ruft, dann kann ich gewiss und zuversichtlich mich dessen ruehmen wider den Teufel und die Feinde des Evangelii, dass ich auf Gottes Befehl durch die Stimme eines Menschen berufen bin. Denn da ist Gottes Befehl durch den Mund des Fuersten, der mich gewiss macht, dass mein Beruf ein rechter und goettlicher Beruf ist. Deshalb sind auch wir aus goettlicher Gewalt berufen, zwar nicht unmittelbar von Christo, wie die Apostel, sondern durch einen Menschen. 22. Es ist aber dieses Lehrstueck von der Gewissheit des Berufs sehr noch vonnoethen wider die verderblichen und teuflischen Geister, welche sich ueber die Massen des Geistes und der himmlischen Berufung ruehmen und durch dies Vorgeben viele betruegen; und doch luegen sie ganz unverschaemt. Darum dient die Gewissheit, dass wir berufen seien, dazu, dass ein jeglicher mit Johannes dem Taeufer ruehmen koenne [Luc. 3,2.]: "Es ist der Befehl Gottes an mich ergangen." Das ich nun das Wort lehre, taufe und die Sacramente verwalte, das thue ich, weil ich den Befehl habe und dazu berufen bin, denn Gottes Stimme hat zu mir geredet, nicht im Winkel, wie die Schwaermer ruehmen, sondern durch den Mund eines Menschen, der in einem rechtmaessigen Amte ist. 23. Wenn mich aber ein Buerger oder zwei bitten sollten, dass ich predigen moechte, so soll ich solchem Privatberufe nicht folgen, weil dadurch den Dienern des Teufels die Thuer geoeffnet wuerde, die sich darnach auf dies Beispiel berufen und Schaden thun wuerden, wie wir oben gesagt haben. Wenn ich aber von denen erfordert werde, die ein oeffentliches Amt inne haben, dann soll ich gehorchen. 24. Da er nun sagt: "Paulus, ein Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch Menschen", so trifft und ueberwindet (_reprimit_) er mit diessen Worten die falschen Apostel, als ob er sagen wollte: So hoch sie sich auch ruehmen moegen, was koennen diese Ottern mehr ruehmen, als dass sie gekommen sind, entweder von Menschen, das heisst, von sich selbst, indem niemand sie berufen hat, oder durch Menschen, das heisst, gesandt von anderen? An alle dem liegt mir nichts, und ihr muesst auch nichts darnach fragen. Ich aber bin weder von Menschen, noch durch Menschen, sondern unmittelbar, das heisst, durch Jesum Chistum berufen und gesandt, und mein Beruf ist in allen Stuecken dem Berufe der [anderen] Apostel gleich, und ich bin freilich ein Apostel. 25. Darum handelt Paulus das Lehrstueck von der Berufung der Apostel sehr fleissig, und scheidet anderswo den Apostelstand von den anderen [geistlichen Aemtern], als 1 Cor. 12, 28. und Eph. 4, 11.: "Er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten" [usw.], indem er die Apostel an erster Stelle setzt [um anzuzeigen], dass eigentlich nur diejenigen Apostel seien, welche unmittelbar von Gott selbst gesendet sind, ohne eine Mittelsperson. So ist auch Matthias geradezu von Gott berufen worden. Denn da die anderen Apostel zwei aufstellten, wagten sie es nicht, den einen oder den anderen zu erwaehlen, sondern warfen das Loos und beteten, dass Gott anzeigen moechte, welchen er selbst erwaehlt habe unter diesen zweien [Apost. 1,23. f.]. Denn er musste von Gott berufen werden, da er ein Apostel sein sollte. So ist auch Paulus, der Apostel der Heiden, berufen worden [Apost. 9,15.]. Daher werden die Apostel auch heilig genannt, denn sie sind ihres Berufes und ihrer Lehre gewiss, und sind treu in ihrem Amte geblieben, und keiner derselben ist abgefallen, als allein Judas; denn ihr Beruf ist heilig. 26. Dies ist der erste Stoss, den Paulus fuehrt wider die falschen Apostel, welche liefen, obgleich niemand sie gesandt hatte. Deshalb muss man den Beruf nicht verachten. Denn es ist nicht genug, dass man das Wort und reine Lehre habe, sondern es muss auch ein gewisser Beruf da sein; wenn sich jemand ohne einen solchen eindraengt, der kommt nur, "dass er wuerge und umbringe" [Joh. 10,10.]. Denn Gott gibt der Arbeit derer, die nicht berufen sind, niemals rechtes Gedeihen. Und wiewohl sie bisweilen einige heilsame Dinge vorbringen, so bauen sie doch nichts. So haben heutzutage unsere Schwaermgeister die Worte vom Glauben in ihrem Munde, schaffen aber doch keine Frucht, sondern gehen vornehmlich damit um, den Menschen ihre irrigen Meinungen einzureden [usw.] 27. Diejenigen, welche einen gewissen und heiligen Beruf haben, muessen mancherlei und sehr schwere Kaempfe bestehen; desgleichen [haben] diejenigen, deren Lehre rein und gesund ist [hart darueber zu kaempfen], dass sie in ihrem heilsamen Amte bleiben, wider die unablaessigen und zahllosen Anlaeufe des Teufels und das Wuethen der Welt. Was sollte da nun ein solcher ausrichten koennen, dessen Beruf ungewiss und dessen Lehre nicht rein ist? 28. Unser Trost, die wir im Dienste des Wortes sind, ist nun dieser, dass wir ein heiliges und himmlisches Amt haben, zu welchem wir ordentlicher Weise (_rite_) berufen sind, wie wir wider alle Pforten der Hoelle ruehmen. Dagegen ist es etwas Erschreckliches, wenn das Gewissen sagt: Das hast du ohne Beruf gethan. In solchem Falle pflegt ein so grosser Schrecken das Herz zu zerschlagen, dass der unberufene Prediger wuenschen moechte, dass er das Wort, welches er lehrt, nie gehoert haette, weil der Ungehorsam alle Werke boese macht, wie gut sie auch sein moegen, so dass auch die groessten Werke und Arbeiten zu den groessten Suenden werden. 29. Deshalb siehst du, wie gut und wie nothwendig dieses Ruehmen und Preisen unseres Amtes sei. In frueheren Zeiten, als ich noch ein Neuling in der Theologie und ein junger Doctor war, schien es mir, dass Paulus naerrisch handele, dass er in allen seinen Briefen sich so oft wegen seines Berufes ruehmte. Ich verstand nicht, was er dabei im Sinne hatte, denn ich wusste nicht, dass der Dienst am Worte etwas so Grosses waere. Ich wusste nichts von der Lehre des Glaubens noch was ein recht Gewissen waere, weil nichts Gewisses gelehrt wurde, weder in den Schulen noch in den Kirchen, sondern alles war voll von spitzfindigem Wirrwarr und unnuetzem Geschwaetz der Lehrer des paebstlichen Rechts (_canonistarum_) und derer, welche die Sentenzen vortrugen (_sententiariorum_). Daher konnte niemand den Werth und die Bedeutung dieses heiligen und geistlichen Ruehmens vom Berufe erkennen. Dasselbe dient erstlich zu Gottes Ehre, sodann zum Preise unseres Amtes, endlich zu unserer Seligkeit und derer, die uns befohlen sind (_populi_). Denn wir trachten durch dieses Ruehmen nicht darnach, etwas zu sein in der Welt, wir suchen nicht Ehre bei den Menschen, nicht Geld, nicht Wohlleben, nicht die Gunst der Welt [usw.]. Sondern weil wir in goettlichem Berufe und im Werke Gottes sind, und fuer die Leute die Gewissheit unseres Berufes aufs hoechste vonnoethen ist, damit sie wissen, dass unser Wort das Wort Gottes sei, darum ruehmen wir diesen Beruf mit Stolz. Deshalb ist es nicht ein eiteler, sondern ein ueberaus heiliger Stolz wider den Teufel und die Welt, aber vor Gott eine rechte Demuth. _Und durch Gott den Vater, der ihn auferweckt hat von den Todten._ 30. Paulus ist so heftig entbrannt, dass er nicht warten kann, bis er zur Sache selbst kommt, sondern faehrt sofort in der Ueberschrift heraus und sagt, was er im Herzen hat. Er will aber in diesem Briefe von der Gerechtigkeit des Glaubens handeln und dieselbe vertheidigen, und das Gesetz und die Gerechtigkeit der Werke umstossen. Diese Gedanken erfuellen ihn ganz, und aus dieser wunderbaren und unerschoepflichen Fuelle der herrlichsten Weisheit und Erkenntniss Christi im Herzen redet sein Mund. Diese Flamme, diese ungeheure Feuersbrunst im Herzen kann nicht verborgen bleiben, und laesst ihn auch nicht schweigen. Deshalb begnuegt er sich nicht damit, zu sagen, dass er ein Apostel sei, gesandt durch Jesum Christi, sondern er fuegt auch hinzu: "Durch Gott den Vater, der ihn auferweckt hat von den Todten." 31. Er scheint aber, als ob dieser Zusatz: "und durch Gott den Vater" [usw.] nicht nothwendig sei, sondern, wie ich gesagt habe, wess ihm das Herz voll ist, dess geht sein Mund ueber. Es brennt und verlangt sein Gemueth darnach, sofort, selbst noch in der Ueberschrift, die unausforschlichen Reichthuemer Christi ans Licht zu stellen und die Gerechtigkeit Gottes zu predigen, die da heisst die Auferstehung der Todten. Der Christus, der da lebt und auferweckt ist von den Todten, redet aus ihm und treibt ihn. Darum fuegt er nicht ohne Ursache hinzu, dass er auch ein Apostel sei durch Gott den Vater, der Jesum Christum von den Todten auferweckt hat, als ob er sagen wollte: Ich habe hier zu thun mit dem Satan und mit jenen Ottern, den Werkzeugen des Satans, welche mir die Gerechtigkeit Christi umstossen wollen, den Gott der Vater von den Todten auferweckt hat, durch welche allein wir gerechtfertigt werden, durch welche wir auch am juengsten (_illo_) Tage von den Todten werden auferweckt werden zum ewigen Leben. Indem sie aber in solcher Weise die Gerechtigkeit Christi umstossen, so widerstehen sie dem Vater und dem Sohne und ihrem Werke. 32. So faehrt ihm gleich beim ersten Worte die ganze Sache heraus, von welcher er in dieser Epistel handelt. Er handelt aber, wie ich gesagt habe, von der Auferstehung Christi, "der um unserer Gerechtigkeit willen auferwecktet ist," Roem. 4,15., und dadurch das Gesetz, die Suende, den Tod und alles Uebel ueberwunden hat. Deshalb ist Christi Sieg der Sieg ueber das Gesetz, ueber die Suende, ueber unser Fleisch, Welt, Teufel, Tod, Hoelle und alles Uebel, und er hat uns diesen seinen Sieg geschenkt. Wiewohl uns daher diese Tyrannen und unsere Feinde anklagen und schrecken moegen, so koennen sie uns doch nicht in Verzweiflung stuerzen und uns nicht verdammen, denn Christus, der durch Gott den Vater von den Todten auferweckt ist, der ist unsere Gerechtigkeit und unser Sieg. Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum. Amen. 33. Betrachte aber wohl, wie deutlich Paulus redet. Er sagt nicht: durch Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, welcher der Herr der Engel ist, der dem Abraham befahl, aus seinem Lande zu ziehen, der den Moses zu Pharao sandte, der Israel aus Egypten gefuehrt hat; wie die falschen Apostel thaten, die sich ruehmten, dass er der Gott ihrer Vaeter sei, der alles schafft, erhaelt und wirkt, und Wunderwerke in ihrem Volke thaete. Sondern Paulus hatte etwas Anderes im Herzen, naemlich die Gerechtigkeit Christi, welche er lehrte und vertheidigte als ein Apostel Christi. Deshalb redet er Worte, die zu dieser Sache dienen, und spricht: "Ich bin ein Apostel, weder von Menschen noch durch Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott den Vater, der ihn auferweckt hat von den Todten." Du sieht also, von wie grosser Brunst und Eifer er im Geiste entbrannt ist in dieser Sache, welche er pflanzen und schuetzen will wider das ganze Reich der Hoelle, wider alle Gewaltigen und Weisen der ganzen Welt, wider den Teufel und seine Apostel. _____________________________________________________________________________ This text was converted to ascii format for Project Wittenberg by Robert A. Oeser and is in the public domain. You may freely distribute, copy or print this text. Please direct any comments or suggestions to: Rev. Robert E. Smith Walther Library Concordia Theological Seminary E-mail: smithre@mail.ctsfw.edu Surface Mail: 6600 N. Clinton St., Ft. Wayne, IN 46825 USA Phone: (260) 452-3149 Fax: (260) 452-2126 _____________________________________________________________________________